Bolivianischer Kaffee und die Todesstraße

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Wir sind unterwegs in den Straßen von Cochabamba, Bolivien. Kurz vor der Plaza „14 de Septiembre“ entdecken wir ein kleine, recht leere, aber modern aussehende Kaffeebar. Wir bestellen uns einen Kaffee. Nirgendwo steht, wo der Kaffee herkommt – aber er wird in einem Handfilter aufgegossen und auf der Theke stehen Kaffeemühle, Siebträgermaschine und Equipment für andere Zubereitungsarten. Wir nehmen einen Schluck – das ist Spezialitätenkaffee, eindeutig. Wir fragen nach der Herkunft und die Bedienung lächelt bescheiden. „Von hier.“

Von hier bedeutet: etwa 500km nördlich von Cochabamba, mindestens 12 Autostunden entfernt, im Departamento La Paz, Provinz Caranavi. Irgendwo in den Yungas aus einer kleinen Gemeinde, vielleicht 30 oder 40 Einwohner. Diese haben die „terrenos“, das Land ihrer Eltern und Großeltern übernommen. Es wird hier nicht ausschließlich Kaffee angebaut – das rentiert sich einfach nicht. Bananen, Zitrusfrüchte, Kakao und andere Nutzpflanzen haben hier ebenso ihren Platz. Und der Kaffee profitiert davon: sowohl von dem Schatten, den ihre Blätter spenden, als auch von den Aromen. Kaffee ist eine Pflanze, die gerne im Schatten wächst und gedeiht und dabei viel indirektes Sonnenlicht abbekommt. Kaffee nimmt außerdem leicht andere Aromen an. Und das ist im Spezialitätenkaffeesegment von Vorteil: je komplexer die Aromen, je fruchtiger der Flavour und je besser er einer bestimmten Frucht zugeordnet werden kann, desto mehr Punkte erhält ein Kaffee. Und desto besser schmeckt er in der Tasse. Aber eins nach dem anderen: hier wächst erstmal eine eigene Frucht. Die Kaffeekirsche.

Diese Kirsche erscheint erst in grünlicher, dann in rötlicher Form an der Kaffeepflanze und im besten Fall, wenn sie oft beschnitten wird und die klimatischen Bedingungen stimmen, trägt eine solche Pflanze ganz viele Kirschen. Deren Samen werden Kaffeebohnen genannt. Der Kaffee wächst also an Sträuchern, bzw. Bäumen. Es ist viel Arbeit, bis die Samen vom Fruchtfleisch getrennt, sortiert und getrocknet sind. Ist es aber soweit, müssen sie für den Export irgendwie nach La Paz gelangen. Und von dort irgendwie an einen Hafen transportiert werden. Aber hier haben wir schon die erste Hürde: Bolivien hat keinen Hafen.

Bolivien hat kein Meer.

Das war nicht immer so und der Verlust des Meerzugangs an Chile ist ein bitteres Kapitel in der bolivianischen Geschichte und berührt heute noch – nach über 100 Jahren – die Menschen hier. Also besser nie einen Bolivianer auf das verlorengegangene Meer ansprechen! Jetzt wird der Kaffee halt ins Nachbarland gebracht, mit ein paar logistischen Hürden: erstmal muss er aus dieser unzugänglichen Region heraustransportiert werden: aus den Yungas nach La Paz, von wo es weiter auf einer internationalen Hauptstrasse geht. Dafür musste der Kaffee seit den 1930er Jahren die „gefährlichste Strasse der Welt“ passieren. Den Camino de la Muerte. Die Death Road, die Todesstraße. Abhänge, die bis zu 3.600m in die Tiefe reichen und eine Schotterpiste, teils so eng, dass zwei Fahrzeuge einfach nicht aneinander vorbeipassen. Ob die Straße ihren Namen davon hat, dass so viele Arbeiter bei deren Konstruktion gestorben sind oder weil so viele Fahrer dort samt ihren Fahrzeugen in die Tiefe gestürzt sind? Wahrscheinlich letzteres. Und stürzt das Fahrzeug, stürzt auch die Ladung. Man überlegte sich also zweimal oder öfter, ob ein so gefährliches Unterfangen sich für KAFFEE lohnen würde – ein Produkt, das in den 40er Jahren 10mal weniger wert war als Coca. Und es immer noch ist.

Coca statt Kaffee – Exportschlager nicht erst seit den 40ern

Coca war und ist auch heute noch eins der stärksten Exportprodukte Boliviens. Aus Coca wird Kokain produziert. Dieses Endprodukt ist zwar nicht legal, aber durch die große Kaufkraft vor allem in den USA und Europa ließen sich Wege und Mittel finden. Coca benötigt exakt dieselben klimatischen Bedingungen wie Kaffee. Aber Coca war grünes Gold und Kaffee war… naja. Die Bohnenqualität von bolivianischem Kaffee war niedrig, die Produktion sehr gering. Erst 2001 startete USAID, das Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit der Vereinigten Staaten von Amerika, ein Programm in Bolivien, denn sie erkannten das große Potential von bolivianischem Kaffee: sie schickten ausgebildetes Personal für Trainings nach Bolivien und zeigten bolivianischen Kaffeeproduzierenden wie sie ihre Produktion steigern und höhere Preise für ihre Bohnen erlangen könnten. Zu dieser Zeit war die dritte Kaffeewelle, die „third wave“ in den USA schon in vollem Gange – und kleine Spezialitätenröstereien begannen, die exklusiven Bohnen aus Bolivien zu importieren und zu rösten. Bald folgten Röstereien aus England, Schweden, der Schweiz und der ganzen Welt.

2006 wurde eine Parallelstraße der „Todesstraße“ fertiggestellt – eine sicherere Alternative.

Während die Kaffeepreise jahrelang an der Börse auf einem niedrigen Niveau geblieben sind und die Kaffeebauern nicht einmal ihre Kosten davon decken konnten, sind sie seit der Corona Pandemie enorm gestiegen.

Gleichzeitig gibt es immer mehr Spezialitätenröstereien wie Caraya Coffee, die Kaffeeproduzierenden einen fairen Preis bezahlen, der ihre Produktionskosten decken soll – unabhängig von der Börse und im globalen Norden erstellten Siegeln.

Wir glauben an gerechte Bedingungen für alle, die an der Produktion von Kaffee beteiligt sind. Beginnend im Ursprung.

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