Kaffee, Klima, Politik

Posted by:

|

On:

|

,

November 2024.

Vor 10 Monaten geriet ich in Bolivien selbst in Straßenblockaden zwischen Cochabamba und La Paz. An sich ist das nichts Ungewöhnliches.

Vor 6 Monaten erzählte mir eine Freundin in La Paz, die ebenfalls mit Kaffee arbeitet, wie die Wirtschaft langsam anfinge, zu kriseln. Und dass sie glaubt, dass das erst der Anfang sei und es in einem Jahr schlimmer sein würde.

Vor 3 Monaten erzählten mir verschiedene Kaffeeproduzierende von sehr starken Regenfällen, was es fast unmöglich machte, die Samen des Kaffees zu trocknen und zu Rohkaffee zu verarbeiten. Eigentlich ist in Bolivien von Juni bis Oktober Ernte- und gleichzeitig Trockenzeit.

Vor 3 Tagen sprach ich mit René von der Kooperative Asocafé (auf dem Bild neben mir, 3. von rechts), unserem neuen Ansprechpartner. Marco (3. von links) hat sich inzwischen mehr auf seine eigene Finca konzentriert, ist zwar noch Mitglied der Kooperative, aber nicht mehr für Export und Management der NGO zuständig.

René beklagte einige Faktoren, die die Produktion des Rohkaffees dieses Jahr teurer gemacht hätten. Die Regenfälle. Fehlender Diesel. Gestiegene Personalkosten.

Tatsächlich gibt es momentan viele Faktoren im Land, die sich auf das Leben jeder einzelnen Bolivianerin und jedes einzelnen Bolivianers auswirken. So sind nächstes Jahr reguläre Neuwahlen. Und der ehemalige Präsident Evo Morales greift nach der Macht – mit allen Mitteln.

Dass Boliviens Wirtschaft vorher schon nicht besonders rosig lief, soll an dieser Stelle ruhig erwähnt werden. Seit der Nationalisierung des Erdöl- und Erdgassektors im Jahr 2006 (zur Amtszeit von Evo Morales, übrigens…) ging die Produktion des Rohstoffes stetig zurück. Es gab kaum Anreize, zu produzieren. Seit 2011 durfte auch nur noch über staatliche Tankstellen Diesel verkauft werden. Der Grund, den die Regierung nennt: Subventionierung des Treibstoffes für die Bevölkerung, um den Rohstoff erschwinglich zu machen.

Inzwischen wird viel Kraftstoff importiert – auch aus Russland. Das Fehlen von ausländischen Devisen jedoch, vor Allem des Dollars, erschwert es sehr, überhaupt genug davon einzukaufen.

Die Mitglieder der Kooperative von Asocafé erhalten einen Diesel-Zuschlag für jede Kiste Kaffeekirschen, die sie anliefern. Je mehr sie liefern, desto mehr Zuschlag bekommen sie. Dieser wird ihnen direkt und in der Landeswährung ausgezahlt. Es handelt sich dieses Jahr um 6 Bolivianos pro Kiste (14 kg Kaffeekirschen). Leider bringt auch der Zuschlag nichts, wenn es einfach keinen Diesel gibt. Die Meisten brauchen mindestens eine Stunde mit ihrem Auto zur Wet Mill (beneficio humedo) von Asocafé.

Auch dieses Jahr kaufte Asocafé Früchte von ihren Mitgliedern ein, bezahlte diese direkt und nach Gewicht, und verarbeitete die Kaffeekirschen dann weiter. Dazu wird Personal benötigt, 24/7. Bis Mitternacht wird meistens sortiert, um am nächsten Morgen zu entpulpen.

Und: der trockengelegte Sportplatz ist nicht durch Videokameras oder Zäune bewacht. Rund um die Uhr ist jemand mit Hunden vor Ort, der aufpasst, dass keine Kaffeekirschen geklaut werden. Diese Person ist meistens auch dafür zuständig, so schnell wie möglich alles zuzudecken, sobald die ersten Regentropfen sich ankündigen. In der Vergangenheit war das selten bis nie in der Trockenzeit. Inzwischen braucht es schon mehr als eine Person, um alle Kaffeesamen zu bedecken und damit die Qualität zu retten. Und auch so sei nicht gesagt, dass alles an Qualität gerettet werden kann.

Mit René haben wir uns dieses Jahr auf eine kleinere Menge Kaffee geeinigt. An Microlots wurde nicht so viel produziert wie letztes Jahr – aus denselben, obenstehenden Gründen. Dazu ist der Kaffee teurer geworden. Wir bezahlen weiterhin über dem Börsenpreis. Auch, weil dieser inzwischen so stark gestiegen ist, dass er unserem Preisniveau von letztem Jahr entspricht.

Gut 20% mehr bekommt die Kooperative dieses Jahr von uns. Denn leider wird sich die prekäre Situation in den Kaffeeanbauländern weiterhin fortsetzen, wenn wir Kaffee weiterhin behandeln als sei er ein unendlich vorkommender Rohstoff, komplett entkoppelt vom Klimawandel und wirtschaftlichen Schwankungen.

Lieber Evo, bitte lass deine Cocaleros nicht mehr so viel blockieren, sodass wir unseren Container Ende November gut nach Chile bekommen.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *