Guter Kaffee ist Geschmackssache – oder?

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Geschmäcker sind unterschiedlich. Wie also kann ein Kaffee in seiner Geschmacksqualität bewertet werden, wenn Geschmack so subjektiv ist?

„Der Kaffee, den du mir gestern angeboten hast, hat mir gar nicht geschmeckt. Der hat irgendwie überhaupt nicht nach Kaffee geschmeckt.“ – „Wie hat er denn dann geschmeckt?“ – „So sauer irgendwie und süß. Also gar nicht nach Kaffee.“ „Was heißt denn für dich nach Kaffee?“ „Naja, nach normalem Kaffee halt“ – er hält mir eine dunkel aussehende Tasse entgegen, die schwer nach Röstaromen riecht – „einfach nach normalem, schwarzem Kaffee.“

So hat sich ein Gespräch zwischen mir und einer anderen Person zugetragen, der ich am Tag zuvor eine Tasse frisch gebrühten Kaffee aus einer bekannten Berliner Szene-Rösterei angeboten hatte. Jene Person mochte den Kaffee nicht. Und das ist verständlich, weil jene Person den Geschmack von vielen Röstaromen und Bitterstoffen gewöhnt ist und Gefallen daran gefunden hat. Es schmeckt, es macht wach und es ist nicht teuer.

Die Rösterei hingegen, aus der ich den Kaffee hatte, betonte durch eine helle Röstung dessen natürlich vorkommenden Aromen – auch die Fruchtaromen und die komplexen Säuren. Was den Kaffee in meinem Jargon balancierter und ausgeglichener machte, war für die andere Person eine Überspitzung von Eigenschaften, die sie so in ihrem Kaffee einfach nicht gewohnt war. Was dabei oft vergessen wird:

Kaffee ist der Samen einer Frucht!

Und die schmeckt in ihrem natürlichen Zustand gar nicht so bitter. Die Bitterstoffe bilden sich erst beim Rösten, wenn Zucker in der Bohne karamellisiert. Je länger und dunkler die Bohnen geröstet werden, desto höher der Grad der Karamellisierung. Ab einem bestimmten Punkt werden die natürlich vorkommenden Zucker in der Bohne dann bitter. Auch verlieren sich bei einer solch dunklen Röstung die feineren, komplexen Fruchtaromen.

Kaffee wird daher für eine Verkostung, auch Cupping genannt, generell hell geröstet. Die helle Röstung erlaubt zunächst einmal, verschiedene Kaffeebohnen zu verkosten und sie miteinander zu vergleichen – ohne dass sie alle einfach nur bitter schmecken.

Neben der Süße und der Säure ist Bitterkeit natürlich auch eine Komponente, die im Kaffee nie komplett fehlen wird und die zur Ausgewogenheit einer guten Tasse Kaffee dazugehört. Interessanterweise werden, wenn wir über Süße, Säure und Bitterkeit sprechen, diese Komponenten bei der Bewertung nicht isoliert betrachtet, sondern wie sie jeweils in den Kaffee eingebunden sind. Das heißt, wenn die Säure in einem Kaffee gut bewertet wird, heißt dies nicht, dass der Kaffee besonders viel davon hat. Sondern dass sie gut eingebunden ist und eine hohe Qualität hat. Heißt, sie ist nicht überspitzt oder tritt unangenehm hervor. Wenn die Säure im Kaffee „gut“ bewertet wird, ist normalerweise auch Süße und Bitterkeit gut. Das ist wie eine Balance, die sich im Idealfall die Waage hält: überspitzte Säure würde vermutlich bedeuten, dass wir Süße und Bitterkeit nicht mehr so gut wahrnehmen können und dass wir in der Schlussfolgerung diese beiden Komponenten nicht gut bewerten würden, weil sie kaum oder zu wenig vorhanden sind.

Neben der Bewertung einzelner Eigenschaften geht es aber auch um die Beschreibung von Flavour im Kaffee.

Also von Aroma und Geschmack. Ich fand es bei meinen ersten Sensorikkursen von Anfang an sympathisch, dass man hier mit Begriffen wie „gut“ – „schlecht“ oder „lecker“ gar nichts anfangen kann. Diese Dinge sind sehr subjektiv und helfen überhaupt nicht bei der Bewertung von Kaffee, denn sie liefern keine Beschreibung. Sie sind inhaltlich leer und nicht vergleichbar.

Auf der Suche nach Begriffen hilft Vielen ein sogenanntes Aromarad, das man zum Beispiel bei Coffeemind oder der SCAA bekommen kann.

Quelle und Copyright (c) SCAA 2016

Hier sind die einzelnen Aromen in Sammelkategorien aufgeteilt. Besonders am Anfang fällt es sehr schwer, eine bestimmte Frucht im Kaffee zu benennen. Zunächst einmal könnte man daher beschreiben, ob man den Kaffee eher nussig oder eher fruchtig findet. Wenn fruchtig, in welche Richtung? Sind es eher getrocknete Früchte, gelbe Früchte oder rote Früchte? Kann man vielleicht sagen, dass die Tasse beerig schmeckt? Was auf jeden Fall hilft, dann irgendwann auch genau die Beere benennen zu können, die man meint, ist bewusstes Schmecken. So könnte ein kleines Training für den Gaumen im Sommer zum Beispiel wie folgt aussehen: gehe auf einen Wochenmarkt oder in den Supermarkt und kaufe dir alle Beeren, die du dort finden kannst- Erdbeeren, rote Johannisbeeren, schwarze Johannisbeeren, Heidelbeeren, Brombeeren, Himbeeren… Verkoste diese bewusst zuhause und präge dir dabei den Geschmack ein. Benenne dabei auch gerne die Beere laut oder schreibe dir deren Eigenschaften auf (das ist wie beim Vokabellernen in der Schule: unser Gehirn soll das Wort Erdbeere mit dem Geschmack der Erdbeere verknüpfen und beim nächsten Verkosten schneller darauf zugreifen können. Wir können das Gehirn dabei mit diesem Training unterstützen).

Beeren (c) Canva

Genauso funktioniert es mit verschiedenen Nüssen und Gewürzen. Auch deren sensorische Charakteristika können nämlich im Kaffee vorkommen. Wenn du diese Dinge bewusst schmeckst und wahrnimmst, kannst du dort die drei Eigenschaften sauer, süß und bitter wiederfinden, die bei einer guten Tasse Kaffee in Balance sein sollten. Und so schließt sich der Kreis.

Hast du jetzt eventuell auch Lust auf Kaffee bekommen, der nicht nur bitter schmeckt, sondern auch süß und eine angenehm eingebundene Säure mitbringt? Dann können wir dich nur ermutigen, Kaffee aus verschiedenen Röstereien in deiner Stadt auszuprobieren!

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