Bolivien und der Klimawandel – Flucht oder Adaptation?

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Wenn auch der heutige klimatische Zustand auf unserem Planeten Erde größtenteils von den Industrienationen verursacht wurde, so sind es Länder des globalen Südens, die ihn als erste zu spüren bekommen, und die am meisten unter den sozialen und ökonomischen Folgen leiden.

Am stärksten durch den Klimawandel betroffene Länder (c) Fundación Aquae 2021

Bolivien ist das Land in Südamerika, dessen ökologische und sozio-ökonomischen Strukturen am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Das hat folgende Gründe:

  • Bolivien ist das Land in Südamerika mit den wenigsten wirtschaftlichen Ressourcen. Und dazu eines, das eine der größten sozialen Ungleichheiten innerhalb des Landes aufweist. Mehr als 60% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, meistens auf dem Land. Ländliche Gebiete sind am stärksten vom Klimawandel betroffen.
  • Bolivien ist das Land in Südamerika mit der größten indigenen Bevölkerung. Diese leben oft in comunidades, die sich selbst versorgen und auf Land- und Viehwirtschaft angewiesen sind, um zu überleben.
  • Bolivien ist eines der Länder mit der weltweit größten biologischen Artenvielfalt. Die verschiedenen Ökosysteme und Mikroklimata sind anfälliger für klimatische Veränderungen.
  • Knapp 2/3 Boliviens besteht aus Regenwald. Durch die wachsende Abholzung des Regenwalds für Viehwirtschaft, Sojaanbau (größtenteils für das Viehfutter) und andere mechanisierte Landwirtschaft ist das Land anfälliger für Überschwemmungen und Bodenerosion.
  • Nah am Äquator gelegen ist das Land anfälliger für klimatische Extreme, wie extreme Dürre, Starkregenfälle oder extremen Frost.
  • Ungefähr 20% aller tropischen Gletscher der Welt befinden sich in Bolivien. Diese schrumpfen momentan noch schneller als von Experten vorhergesagt.

Die oben genannten Faktoren begünstigen die Migration vom Land in die Stadt, wo es nun eine große Herausforderung ist, Arbeitsplätze zu schaffen. Die ohnehin schon knapp sind. In Bolivien arbeiten circa 80% im informellen Sektor, d.h. ohne festen Arbeitsplatz, gesichertes Einkommen oder Sozialleistungen.

Ich habe einen interessanten Podcast von ZEIT Online gehört, der mich dazu motiviert hat diesen Blogartikel zu schreiben. Ich habe ihn euch unter dem Blogartikel verlinkt. Denn in dem Podcast kommt ein bolivianischer Landwirt zu Wort, der in seiner Heimatregion praktische Lösungen implementiert hat, um mit dem Klimawandel zu leben. Den Blick nach vorne gerichtet, sozusagen. Denn das Phänomen ist da. Die Herausforderung ist nun, damit zu leben und es möglichst nicht zu verschlimmern.

Der Landwirt, Germán ist sein Name, der in dem Podcast zu Wort kommt, entwickelt schon seit Jahren Strategien gemeinsam mit anderen Kleinbauern und -bäuerinnen, um deren Lebensgrundlage – die Landwirtschaft – weiterhin zu sichern. Ein paar dieser Ansätze sind hier zusammengefasst:

  • Die Böden werden vor Abtrag und Erosion geschützt, indem Terrassen angelegt werden.
  • Bäume werden auf den Feldern und zwischen den landwirtschaftlichen Produkten gepflanzt, deren Wurzeln sollen den Boden ebenfalls festigen. Ihre Blätter spenden Schatten und bewahren die Feuchtigkeit im Boden.
  • Obstbäume sichern außerdem eine zusätzliche Nahrungsquelle, in manchen Fällen sogar Einkommensquelle, für die Familien der Kleinbauern.
  • Es werden Sammelbehälter gebaut, in denen Wasser für Tröpfchenbewässerung gesammelt wird.
  • Quellen sollen durch Sickergräben gesichert werden, durch die möglichst viel Regen ins Grundwasser gelangen soll.

Germán schließt mit den Worten:

„Ich glaube, dass unser Ansatz, der der ökologischen und sozialen Landwirtschaft folgt, dazu beiträgt, dass das Landleben wieder attraktiver wird.“

Hier können wir die Brücke zum Kaffee schlagen. Nicht nur, dass einige der oben genannten Strategien wie Aufforstung und Terrassenbau bereits von den Kooperativen, mit denen wir zusammenarbeiten, betrieben werden. Auch der Anreiz, für Kaffeebauern- und bäuerinnen, eben nicht in die Stadt zu ziehen, sondern auf dem Land zu bleiben und weiterhin Kaffee anzubauen. Wie attraktiv kann das sein?

Einen Anreiz kann es nur geben, wenn Kleinbauern und -bäuerinnen für ihren Kaffee einen Preis erzielen können, der ihre Produktionskosten deckt und im besten Fall noch etwas Gewinn abwirft. Wir freuen uns sehr, dass die Kaffeeproduzent:innen in Bolivien, von denen wir unseren Kaffee beziehen, fair bezahlt werden. Wir sehen, dass sie nicht vom Kaffeeanbau allein leben können. Aber wir sehen auch, dass sie stolz sind auf ihre Arbeit und dass es ihnen einen deutlichen Mehrwert bringt, wenn ihr hochwertiger Kaffee über die Kooperative ins Ausland – zum Beispiel zu uns nach Deutschland – exportiert werden kann.

Die oben genannten Lösungsansätze von Germán aus Cochabamba werden größtenteils auch von unseren Partner-Kooperativen in der Provinz Caranavi realisiert:

  • Zwischen den Kaffeepflanzen wurden Bäume gepflanzt. Deren Blätter spenden nicht nur der Kaffeepflanze Schatten und verhelfen ihr so zu einem gesünderen Wachstum, sondern halten auch die Feuchtigkeit im Boden, indem sie ihn vor direkter Sonneneinstrahlung schützen.
  • In diesem Fall zusätzlicher Nutzen für die Kaffeepflanze: Die Blätter der anderen Bäume sind, wenn sie herabfallen, natürlicher Dünger. Außerdem lassen sich Vögel gerne auf Bäumen nieder. Vögel ernähren sich von Insekten, welche wiederum der natürliche Fressfeind der Kaffeepflanze sind. So wird die Pflanze auf natürliche Art und Weise vor Insektenbefall geschützt.
  • Durch die oben genannte Baumbepflanzungsmethode ist synthetischer Dünger überflüssig.
  • Keine mechanischen Verfahren, die die Bodenstruktur belasten könnten. Die Kaffeekirschen werden von Hand gepflückt.
  • Unsere Kaffeeproduzent:innen haben durch Verkauf von Früchten (Mandarinen, Zitronen, Bananen und andere) und Nutzholz (Mahagoni, Zeder und andere) eine zusätzliche Einkommensquelle
Kaffeepflanzen in Bolivien unter Schattenbäumen – Teil eines Ökosystems

Zu Kaffee und dem Thema Wasser würde ich gerne in einem gesonderten Beitrag kommen, da dies wirklich ein großes Thema ist, und mehr in den Bereich Kaffeeaufbereitung als in den Bereich Ökosystem gehört.

Wie ihr jedoch sehen könnt, ist der Kaffeeanbau in Bolivien alles andere als industriell. Er erfordert im Gegenteil viel Arbeit durch Menschenhand. Und hier kommt das Soziale wieder ins Spiel:

„Ich glaube, dass der Ansatz, der der ökologischen und sozialen Landwirtschaft folgt, dazu beiträgt, dass das Landleben wieder attraktiver wird.“

Ökologisch? Haben wir oben gesehen.
Sozial? Spiegelt sich unserer Meinung nach in fairen Preisen für diese “Handarbeit” wider. Und darin, in diesen auch zu bedenken, dass es in Zukunft mehr Ernteausfälle durch Extremwetterbedingungen geben wird.


Quellen: Studie von Oxfam und tck Copenhagen © 2009 Oxfam International “Bolivien. Klimawandel, Armut und Anpassung.”

ZEIT Online Podcastfolge: Spezial: Stimmen der Klimakrise – „Wir zahlen den Preis“  

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