Technisch gesehen ist FOB-Preis ein Incoterm. FOB bedeutet Free on Board – bis an Bord des Schiffes. Wenn wir also mit unseren Partner-Kooperativen in Bolivien über FOB-Preise sprechen, dann ist das konkret der Preis, den wir pro Kilogramm Kaffee bezahlen, wenn dieser bis an Bord des Schiffes angeliefert wird. Der Kaffee ist dann schon sortiert, aufbereitet, getrocknet und aromafreundlich verpackt. Daher beinhalten die FOB-Preise nicht nur den Lohn, den ein Produzent / eine Produzentin für seinen oder ihren Kaffee bekommt. Sondern neben den Kosten für die aufwendige, manuelle Ernte der Kaffeekirschen auch:
- Den Transport von der (Familien)farm bis zu einer Zentrale der Kooperative
- Die Kosten für die Aufbereitung des Kaffees inkl. der Personalkosten dafür – bei gewaschenen Kaffees die vielen Liter Wasser, die für die Fermentation der Kaffeesamen mit ihrem Fruchtfleisch nötig sind. Bei trocken aufbereiteten Kaffees die Personalkosten für die Personen, die die Kaffeekirschen alle paar Stunden drehen und wenden müssen, damit diese nicht schimmeln und gleichmäßig trocknen (oft machen das die Produzent:innen selber, die Mitglieder der Kooperative sind)
- Die jeweiligen Arbeitsmaschinen, wie z.B. einen Entpulper oder eine Trockenmühle, um die Samen vom Fruchtfleisch zu trennen
- Weitertransport zur Zentrale in El Alto (La Paz)
- Maschine, um die Kaffeebohnen von ihrem Pergamenthäutchen zu befreien (trilladora)
- Personalkosten für die erneute Sortierung der Kaffeebohnen nach der Aufbereitung. Kaffeebohnen werden auf Defekte geprüft und defekte Bohnen manuell aussortiert
- Die Inlays für die Jutesäcke, um das Aroma des Rohkaffees zu schützen (hermetischer Kunststoff), sowie die Jutesäcke
- Beschriftung der Jutesäcke mit Naturfarbe, um die verschiedenen Rohkaffees voneinander unterscheiden zu können
- Exportadministration und -papiere (Zertifizierungen, Lebensmittelsicherheit, Kosten für Biozertifizierung)
- Kosten für den internationalen Transport in einem LKW von Bolivien, La Paz, nach Arica in Chile – da Bolivien keinen Hafen hat, fallen hier außerdem gesonderte Papiere für den Grenzübergang nach Chile an.
Ihr seht: es sind ganz schön viele Hände, durch die unser Kaffee geht, bis er in Deutschland ankommt. Erst ab dem Beladen des Schiffes in Chile tragen wir die weiteren Kosten für Transport, Verzollung, Wartezeit am Hafen, etc.
Den FOB Preis erwähnen wir für jeden Kaffee auf unserer Website, weil wir dadurch mehr Transparenz in den Kaffeehandel bringen möchten. Und in unsere eigenen Prozesse. Gerade seit wir durch Märkte mehr Kontakt zu Endkonsument:innen haben, werden wir oft gefragt, wie sich unser Kaffeepreis zusammensetzt. Wir fangen dann mit unserer Antwort bei der hohen Qualität des Rohkaffees, der selektiven Ernte und bei den FOB Preisen an. Wenn wir FOB-Preise kommunizieren, geben wir gleichzeitig auch den Produzierenden eine Möglichkeit, ihre Qualität auf dem Markt zu vergleichen. Leider bekommen Produzent:innen trotz hoher Qualität noch lange nicht überall den Preis, den sie dafür verdient hätten. Oft passiert es, dass sie keinen Zugang zu guten Käufer:innen haben und letzten Endes ihren mit hohen Kosten produzierten Kaffee dennoch zu Börsenpreisen verkaufen müssen. Wenige große Kaffeeimporteure im globalen Norden haben kumuliert eine sehr große Marktmacht, mit denen sie die Preise drücken können.
Fair? Wir zahlen je nach Aufwand und Produktionskosten. Dabei bezahlen wir für unseren günstigsten Kaffee doppelt so viel wie der Fairtrade-Mindestpreis. Der Fairtrade-Mindestpreis hat zwar den Anspruch „die durchschnittlichen Produktionskosten für eine nachhaltige Produktion zu decken“. Jedoch sehen wir hier eine große Lücke. Er gilt weltweit, gerade so, als ob in jedem Land die Produktionskosten für gewaschenen Arabica Kaffee immer gleich wären. Alleine schon die Arbeitskosten sind jedoch in jedem Land unterschiedlich. Dazu kommt, dass einige Länder stärker vom Klimawandel betroffen sind als andere und dadurch mehr Ernteausfälle haben. Außerdem haben Kaffeeanbauländer mit Meerzugang sicherlich andere Möglichkeiten, als Länder, wo der Kaffee erst noch Hunderte Kilometer durch andere Länder transportiert werden muss. Des Weiteren finden wir es gar nicht so fair, dass der Fairtrade Preis im Prinzip eine Prämie von 20ct ist, die jedoch auf den Börsenpreis aufgeschlagen wird. Somit sind „Fairtrade“ Preise immer noch an die Börse gekoppelt.
Wir haben uns da abgekoppelt. Dieses Konzept nennt man Direct Trade. Es ist ein Begriff, der prinzipiell jeglichen Handel beschreibt, der über Direktimporteure passiert. In diesem Fall sind wir selber Importeure.
Wir haben noch viele Ziele für die Zukunft – zum Beispiel möchten wir wissen, wieviel vom FOB-Preis tatsächlich bei den Produzent:innen hängenbleibt. Das nennt man „Farmgate Preis“. Anhanddessen könnte man sogar noch transparenter Kaffeepreise und faire Löhne vergleichen. Im Juli fliegen wir nach Bolivien und freuen uns schon auf den Austausch mit unseren Kaffeeproduzent:innen. Es wird mitten in der Erntezeit sein und wir werden dann die Volumina für die diesjährige Ernte fixen, die wir abkaufen möchten. Mittelfristig sollten wir das sogar im März / April schon tun. Also vor der Ernte, damit die Produzierenden eine Planbarkeit haben. Da wir aber selbst jetzt erst gestartet sind, mussten wir diese Entscheidung leider ein bisschen hinauszögern. Wir freuen uns, gemeinsam mit euch jeden Tag einen Schritt mehr in Richtung Transparenz und Nachhaltigkeit zu gehen.
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